Sicherheit im Paddel- und Kanusport

Von Jutta Kaiser, Weltmeisterin und Inhaberin von Paddle People

Eine sichere und damit schöne Paddeltour hängt von der richtigen Ausrüstung, dem passenden Gewässer und der richtigen Gruppe für die geplante Tour ab.  Doch um gefährliche Situationen auf dem Wasser zu vermeiden, ist oft noch mehr entscheidend. Denn: Sicherheit beginnt im Kopf! Unfälle entstehen häufig aus einer Verkettung von ungünstigen Entscheidungen und (im nach hinein vermeidbaren) Fehlern.

DESHALB SIND DIESE 3 GRUNDREGELN WICHTIG ZUR VERMEIDUNG VON GEFAHREN AUF DEM WASSER 

 

Balance zwischen Können und Anforderung

Freude am Paddeln tritt vor allem dann auf, wenn das technische Können, die persönliche Tagesform und die Anforderungen, die das Gewässer bietet, in einem Gleichgewicht stehen. Und genau das ist auch die Grundvoraussetzung für sichere Paddeltouren. Wer hier die richtige Balance findet, paddelt in seinem Komfortbereich. 

 

Eigene Entscheidungen treffen

Bei Touren in einer Gruppe spielt die Gruppendynamik eine wichtige Rolle: Prinzipiell immer auf die eigene innere Stimme hören und sich nicht verleiten oder unter Druck setzen lassen! 

 

Selbst-Check

„Wie fit fühle ich mich heute?“ Unsere Tagesform ist nicht immer gleich. Damit kann die Herausforderung, die beim letzten Mal richtig war, bei der nächsten Fahrt zu groß sein. Im Zweifel lieber getreu dem Motto: „weniger (Risiko) ist mehr (Sicherheit)“.  

 

A wie Ausrüstung
Die richtige Ausrüstung ist ein wichtiger Faktor zur Minimierung des Risikos sich beim Paddeln zu verletzen. Der beste Helm oder die beste Schwimmweste ist dabei immer die, die dem jeweiligen Paddler am besten passt und dem gewählten Gewässer entspricht. Selbstverständlich ist Ausrüstung nur so gut wie ihr Zustand! Regelmäßige Kontrolle der Sicherheitsausrüstung und Austauschen von stark benutztem oder durch UV-Einstrahlung oder Salzwasser stark gealtertem Material gehört auf jeden Fall dazu.

B wie Bootstyp

Paddeln kann man generell im Knien, Sitzen oder Stehen. Doch eine Strecke, die im Kanadier oder Kajak ganz einfach ist, wird mit dem Stand Up Paddle Board plötzlich zur Herausforderung. Deshalb unbedingt auf die richtige Wahl bei Boot oder Board für das jeweilige Gewässer achten. Einsteiger fühlen sich oft in Sit-on-Tops wohl: beim Umkippen fällt der Paddler sofort vom Boot runter und es muss nicht zuerst eine Spritzdecke gelöst werden.

 

 


 

C wie Contact (engl.)

Die Kontaktdaten von anderen Gruppenmitgliedern, des Touranbieters der lokalen Rettungsdienste (siehe Notruf)bei jeder Tour mitzuführen, ist äußerst sinnvoll. Wird die Gruppe getrennt, ist eine Gefahrensituation eingetreten oder wird ein Tourabbruch nötig, kann schnell Kontakt aufgenommen werden. Dadurch entsteht weniger Sorge nach Vermissten und  Hilfe ist schneller vor Ort.

 

 


 

D wie Dauerregen

Die Schwierigkeit von Flussabschnitten ist häufig ganz wesentlich vom Pegelstand, also von der Wassermenge im Fluss abhängig. Dabei gilt die Regel: je mehr Wasser, desto schneller ist die Fließgeschwindigkeit. Damit steigt meistens auch der Schwierigkeitsgrad der Paddelstrecke an.  Es ist ratsam, sich vor der Tour über den aktuellen Pegelstand zu informieren bzw. bei Mehrtagestouren einzukalkulieren, dass sich durch (Dauer-)Regen die Verhältnisse während der Tour verändern können.

  

 

 


E wie Erste Hilfe

Erste Hilfe Kenntnisse sind umso wichtiger, je weiter man von professioneller Hilfe entfernt ist. Ein sinnvoll zusammengestelltes Erste Hilfe-Päckchen sollte auf jeder Tour dabei sein. Spezielle Kurse für Erste-Hilfe im Outdoorbereich gibt es mittlerweile von vielen Anbietern. Dort kann man nützliches Wissen erwerben und im Kreis von gleichgesinnten Outdoorsportlern Erfahrungen austauschen.Regelmäßiges Üben erhöht die Sicherheit im Notfall das Richtige zu tun.

 

 

 


F wie Fähigkeiten

Die Balance zwischen eigenen Fähigkeiten und der gewählten Herausforderung ( = Schwierigkeit des Paddelabschnitts) ist der Schlüssel zur Vermeidung von Unfällen. Besteht hier ein Ungleichgewicht und ist der Paddler mit der (Paddel-)Aufgabe überfordert, gibt es zwei „Stellschrauben“: entweder Anforderungen runter oder Fähigkeiten hoch schrauben. Die erste Lösung hilft kurzfristig, die zweite macht auf lange Sicht mehr Freude. Wer den Eindruck hat, durch selbstständiges Üben alleine nicht weiter zu kommen, findet mit Sicherheit einen Kurs, in dem die eigenen Fähigkeiten auf ein neues Niveau gebracht werden.


G wie Gruppe

Paddeln ist eine Outdoorsportart die man am besten in einer Gruppe genießt.  Zum einen bietet die Gruppe eine schöne Form des gemeinsamen Erlebens, zum anderen bieten gut eingespielte Gruppen ein erhöhtes Maß an zusätzlicher Sicherheit. Sei es beim Organisieren, Sichern oder beim Helfen. Erhöhte Vorsicht ist geboten, wenn sich Gruppen spontan zusammenfinden und sich die Gruppenmitglieder nicht oder nur wenig kennen: oft ist in solchen Gruppen die Kommunikation auf dem Wasser nicht eindeutig oder wird missverstanden, was zu Gefahrensituationen führen kann.


H wie Hindernisse

Hindernisse im Fluss sind die häufigsten Gründe für Unfälle auf dem Wasser. Umgestürzte Bäume, Brückenpfeiler und andere künstliche Verbauungen, Felsen mitten in der Strömung oder Metallträger knapp unter der Wasseroberfläche, wie man sie manchmal in der Nähe von Baustellen vorfindet, können für Paddler gefährlich werden. Gerade für Einsteiger gilt: Hindernisse mit einem ausreichend großen Sicherheitsabstand umfahren! Sollte man trotzdem in die Nähe eines Baumes oder Hindernisses geraten, nicht daran festhalten!

 


I wie Informieren

Vor einer Tour die wesentlichen Information einzuholen, führt zu einem deutlich sichereren Tourablauf und mehr Freude an der Aktion. Wo ist der Ein- und Ausstieg? Welche Zwischenstopp Möglichkeiten gibt es? Was sind die größten Herausforderungen dieser Tour und wann erwarten mich diese? Wie ist die Wettervorhersage? (siehe auch Dauerregen)

 

 

 

 


J wie junge Paddler

Paddeln ist eine optimale Familiensportart. Nicht selten gibt es Touren, bei denen 3 Generationen zusammen im Boot sitzen. Beim Paddeln mit Kindern sollte unbedingt darauf geachtet werden, dass kindgerechtes Material zur Verfügung steht. Eine Schwimmweste, die zu groß ist, kann ggfs. ihren Zweck nicht erfüllen und ist gefährlich!  Mittlerweile gibt es immer mehr spezielle Wassersport-Ausrüstung für Kinder: vom Kälteschutz über Schwimmwesten bis hin zu speziellen Spritzdecken, mit denen Kinder nach einer Kenterung leichter aus dem Boot kommen.


K wie Kälteschutz

„Dress for water, not for air“ ist der gängige Paddlerspruch, wenn es um die Wahl der Kleidung geht. Gemeint ist, die Bekleidung der Wassertemperatur und nicht der Lufttemperatur anzupassen. Denn im Fall der Fälle befindet man sich als Schwimmer oder Retter(!) auch mal längere Zeit im Wasser und dann ist die kurze Hose, die beim Einstieg noch ok erschien, schnell der Grund für weitere Probleme. Ob Neopren oder Funktionsbekleidung und Trockenanzug ist dabei oft Geschmackssache. 

 


wie Laden (Gurte)

Ein sicherer Transport des Materials ist ein wesentlicher Bestandteil einer jeden Paddeltour. Damit Boote sich nicht während der Fahrt vom Autodach oder Anhänger lösen, ist ein sorgfältiges Laden mit der richtigen Technik wichtig. Spanngurte mit Klemmschnallen haben sich zum Laden bewährt. Sie lassen sich gut festziehen und dank der Klemmschnallen beim Abladen leicht wieder lösen. Alte, ausgefranste Gurte gehören ausgemustert, bevor etwas passiert!

 

 


M wie Messer

„Wo ein Seil ist, sollte auch ein Messer zur Hand sein.“ Da das Mitführen eines Wurfsacks zum Standard für Paddler aller Spielarten gehört, ist es nur die logische Schlussfolgerung, auch ein Messer mitzuführen. Dieses sollte sicher verstaut, doch schnell zugänglich sein. Messer, die sich mit einer Hand bedienen lassen, sind in Notfallsituationen oft der entscheidende Schlüssel zum Erfolg der Rettungsaktion. Der Umgang damit sollte ausgiebig einstudiert werden, damit im Falle eines Falles alle Handgriffe sitzen und das Risiko, sich selber noch zu verletzen, absolut minimal ist.

 


N wie Notruf

„Wie ist die Notrufnummer des Landes, in dem ich mich gerade befinde?“  Diese Information sollte unbedingt am Anfang eines Urlaubs oder einer Tour eingeholt werden. Die Euro-Notrufnummer 112 für Europa und einige weitere Länder lässt sich von jedem Telefon kostenfrei und ohne Vorwahl nutzen. Am besten die Antworten auf die 5 W-Fragen bereits im Kopf haben, wenn man den Notruf wählt. 1. Wo ist etwas geschehen? 2. Was ist geschehen? 3. Wie viele Personen sind betroffen? 4. Welche Art von Verletzung liegt vor? 5. Warten auf Rückfragen.

 

 


O wie Ortskenntnis

Ein wenig Ortskenntnis der Region, in der man gerade unterwegs ist, kann bei einer Rettungsaktion von entscheidender Bedeutung sein. „Auf welcher Seite des Flusses kommt man am schnellsten zur nächstgelegenen Straße?“ „Ist der nächste Ort flussaufwärts oder flussabwärts zu finden?“ „Wo gibt es eine Brücke?“ Nicht nur dem Navigationssystem zum Einstieg folgen, sondern sich vor dem Tourstart mit Hilfe einer guten Karte einen Überblick zur unmittelbaren Umgebung zu verschaffen, ist ein weiterer Baustein zum Thema Sicherheit auf Tour.

 

 


P wie Packen (wasserdicht)

Telefon, Erste-Hilfe-Päckchen, Notfallverpflegung – alle diese wichtigen Dinge, die mit ins Boot gehören, müssen wasserdicht verpackt werden. Wasserdichte Packsäcke in vielen verschiedenen Größen und Materialien bieten sich an, um Wertsachen und andere wichtige Ausrüstung geschützt im Boot mitzunehmen.  Packsäcke unbedingt im Boot gegen Herausfallen sichern (gerade auch im Falle einer Kenterung)! 

 


Q wie Querströmung

Strömungen in Gewässern sollte man nie unterschätzen. Vor allem solche, die quer auf das Boot einwirken (Querströmung) und unerfahrene Paddler häufig überraschen und überfordern. Oft sind Strömungen gar nicht als solche zu sehen bzw. zu erkennen. Daher ist „Wasser lesen“ lernen ein wichtiger Baustein auf dem Weg Paddler zu werden. Denn nur wer versteht, wie sich das Wasser verhält, kann es nutzen und Gefahren vermeiden.

 


R wie Rücklauf

Rückläufe sind auf fließenden Gewässern oft an künstlichen Stufen oder hinter überspülten Felsen zu finden. Das über das Hindernis fließende Wasser erzeugt dabei eine Rückströmung an der Wasser-
oberfläche. Dieser Rücklauf kann so stark sein, dass der Paddler im Boot nicht ungehindert weiter fahren kann und es zu einer Kenterung kommt. Schwimmen in einem Rücklauf ist sehr kräftezehrend und kann zu einer lebensbedrohlichen Situation führen. 

 


S wie Seile & Knoten

Der Einsatz von Seilen beim Paddeln ist vielfältig. Wer die vielfältigen Möglichkeiten von Seilen nutzen will, sollte ein Basiswissen an Knoten im Petto haben. So eröffnen sich zum Beispiel beim Transport vor allem aber beim Sichern und Bergen sehr viele Optionen die sehr hilfreich sein können.

 

 

 

 


SCH wie Schwimmen

Auch wenn man beim Paddeln eigentlich im Boot sitzt. Um das Schwimmen kommt man nicht immer herum. Sei es nach einer missglückten Rolle, bei einer Bergung oder beim Üben von neuen Techniken. Am sichersten schwimmt man mit den Füßen voraus. So hat man den besten Überblick und die empfindlichen Körperregionen sind besser geschützt. Schwimmen kann übrigens nicht nur der Paddler, sondern auch das Material. Dieses zu bergen, ist kein Risiko wert. Mensch geht ganz klar vor Material. 


SP wie spezielle Ausrüstung

Im Normalfall reicht es, einen Wurfsack, ein Messer, zwei Bandschlingen, zwei Karabiner, das Erste Hilfepack, Essen und Trinken dabei zu haben. Mit Zunahme der Länge oder den Schwierigkeiten der Tour reicht das aber oft nicht mehr aus. Mehr Verpflegung, zusätzliche Seile, ein Ersatzpaddel und weitere Kletterausrüstung kann nötig sein. 

 

 

 


T wie Telefon

Das Mobiltelefon gehört wasserdicht verpackt mit auf Tour. So kann man im Bedarfsfall nicht nur Hilfe von außen organisieren, sondern sich auch verständigen, wenn die Gruppe sich geteilt hat. Wichtig ist, dass im Telefon alle nötigen Nummern aktuell und gespeichert sind und der Akku geladen ist.

 

 

 

 


U wie Unterkühlung

Zu einer Unterkühlung oder auch Hypothermie kommt es, wenn der Körper eine bestimmte Zeit lang mehr Wärme abgibt, als er aufnimmt. Im Wasser geschieht das viel schneller als an Land. Daher ist es wichtig, entsprechend vorzubeugen – und zu wissen, wie man im Notfall reagieren muss. Die richtige Kleidung ist der beste Schutz. In kalten Gewässern versucht der Körper alles, um die Kerntemperatur von 37 Grad Celsius aufrecht zu erhalten und Wärme zu erzeugen: 

 


U 

Die Gefäße und Muskeln ziehen sich zusammen, sodass eine Gänsehaut entsteht. Die Muskeln fangen zudem an zu zittern, um zusätzliche Wärme zu produzieren. Eine Unterkühlung darf man nicht unterschätzen. Die Beschwerden reichen von einem ersten Kältegefühl (nie unterschätzen) über Bewusstlosigkeit bis hin zum lebensbedrohlichen Kreislaufversagen. Vor einer Tour muss die herrschende Temperatur von Land UND vom Wasser mit ein kalkuliert werden. 

 


V wie Vorbereitung

Egal welche Tour man vorbereitet. Die wesentlichen Punkte beim Planen sind dieselben. Wer vorab das Wetter (aktuell und kommendes), den Wasserstand, die Schwierigkeiten des Gewässers, die aktuelle Situation und vor allem die Fähigkeiten und die Erfahrung der Mitpaddler ehrlich einschätzt hat schon viel getan um Risiken zu minimieren. Sicherer ist, wer Reserven einplant.

 

 

 

 

 


W wie Wurfsack

Der Wurfsack ist der universelle Sicherheits-ausrüstungsgegenstand für Wassersportler. Je nach Modell enthält er etwa 20-30m schwimmfähiges Seil in einem robusten Beutel. Helfer am Ufer können mit dem Wurfsack Schwimmer aus dem Wasser ziehen, Material bergen oder einen angeseilten „Springer“ zur Hilfe eines gekenterten Paddlers ins Wasser schicken. Wurfsäcke gibt es in vielen verschiedenen Varianten: ein wichtige Faktor ist, dass  die Konstruktion des Beutels ein sauberes Auslaufen des Seiles aus dem Beutel erlaubt, denn nur dann sind gezielte Würfe möglich, die den Schwimmer auch wirklich erreichen. 


Z wie Zwangspassage

Zwang kommt von zwingen oder auch umgekehrt. Bei einer Zwangspassage auf dem Fluss gibt keine andere Möglichkeit, als diese zu meistern. Es gibt keine oder nur eine sehr riskante Möglichkeit zu Umtragen. Zwangspassagen erfordert daher neben den üblichen für die Tour nötigen Voraussetzungen an Können und Erfahrung auch eine größere mentale Stärke. 

 

 

 

 

 


Jutta Kaiser      

Jutta Kaiser



Kajak-Freestyle

Weltmeisterin 2005
Inhaberin 
°hf Sicherheitsausrüstung

 

         

 

 

 

Jutta Kaiser zählte über viele Jahre zu den besten Wildwasserpaddlerinnen der Szene. Die Weltmeisterin im Kajak-Freestyle hat spannende Paddeltouren in zahlreichen Ländern auf 5 Kontinenten erlebt und dabei das Thema Sicherheit in vielen Facetten hautnah erfahren.


Heute leitet Jutta Kaiser die Firma Paddle People und sorgt mit der Sicherheitsausrüstung von °hf dafür, dass Paddler auf der ganzen Welt mit erstklassigem Equipment sicherer auf dem Wasser unterwegs sind.